Triggerfaktor Mann

Gewalt ist nach wie vor ein männliches Phänomen, was weibliche Gewaltstrukturen deutlich übersteigt.
Mädchen und Frauen werden oft Opfer von männlicher Gewalt, Besitzdenken und patriarchalen Denkmustern, die leider sehr tief verankert sind.
Anbei zeige ich zwei Fallbeispiele und die Auswirkungen auf ein Mädchen und eine Frau, die männliche Gewalt überlebt haben.
Mareen ist gerade 12 Jahre alt. Sechs Jahre hat sie zu Hause gelebt. Mit ihren Eltern und mehreren Geschwistern zusammen. Ein Zeitraum, der viel zu lang war. Erst nach sechs Jahren wurde sie von dem Jugendamt aus der Familie geholt und lebt heute in einer Wohngruppe. Zum Glück. Denn hier darf sie männliche Betreuer erleben, die sie respektvoll behandeln und ihre Grenzen achten. Sie hat die Chance ein neues Männerbild zu erfahren. Das hat sie die sechs Jahre vorher nämlich nicht erlebt. Zu Hause wurde sie die ersten sechs Lebensjahre vom Vater sexuell missbraucht und vergewaltigt. Sie musste zusehen, wie der Vater die Mutter zusammen schlug, an den Haaren durch die Wohnung zerrte und sie brutal vergewaltigte. Diese Erfahrungen sitzen tief. Zu tief. Sie hat überlebt. Aber sie hat unglaubliche Angst vor fremden Männern. Geht sie zu einem neuen Arzt und er ist männlich, erstarrt sie. Kommen männliche Handwerker ohne Vorankündigung und Vorbereitung in die Wohngruppe, versteckt sie sich in ihrem Schrank oder hinter der Couch im Wohnzimmer. Dieses Muster wird nur ganz langsam besser. Therapie hat sie. Sie hat Hobbys und Interessen, die sie glücklich machen. Das sind wichtige Ressourcen. Darum geht es auch. Sie zu stärken und ihre Ressourcen zu aktivieren. Aber das Erlebte hat sich trotzdem eingebrannt, wird immer da sein und sie noch lange begleiten.
Wie kann so ein Mädchen eine gesunde Sexualität aufbauen, nachdem sie soviel Gewalt durch einen Mann erlebt hat, dem sie als Kind hilflos ausgeliefert war?
Nancy ist schon Mitte 30. Sie ist dick und wirkt lebensfroh. Nach Außen hin zumindest. Innerlich finden andere Prozesse statt. Sie hat zum Glück eine tolle Therapeutin, die sie begleitet.
Dass sie dick ist, hat eine Bedeutung. Sie hat schon früh in der Familie Gewalt erfahren müssen und ab ihrer Kindheit auch sexuelle Gewalt durch Jungen, männliche Jugendliche und Männer. Sie dachte lange Zeit, dass es normal sei, dass sie sich für sexuelle Bedürfnisse zur Verfügung stellt. Das hat sie so gelernt. Es bedeutet doch gemocht und geliebt zu werden. So hat sie lange Zeit gar kein Gespür dafür, dass die Vergewaltigungen nicht normal sind. Lange Zeit läuft alles gut. Doch irgendwann kommen die Zusammenbrüche, ihr Körper macht nicht mehr mit. Sie entwickelt chronische Erkrankungen.
Sie kann therapeutisch viel aufarbeiten. Sie weiß, dass sie dick ist, um sich vor den Männern zu schützen. Abnehmen und schlank zu werden, dass macht ihr irre Angst. Bedeutet es doch einen Kontrollverlust und die Gefahr, dass die Männer wieder auf sie aufmerksam werden.
Sie musste deshalb Essstörungen entwickeln, die sie vor der Gefahr Mann schützen.
Sie hat fast nur noch Frauen, mit denen sie sozial verbunden ist. Sie weiß, dass nicht jeder Mann Täter ist und es natürlich auch viele tolle Männer gibt. Aber es gibt die Phasen, wenn sie angetriggert wird, da kann sie das nicht mehr differenzieren. Jeder Mann wird dann zur Gefahr. Wann wird sie angetriggert? Zum Beispiel dann, wenn fremde Männer sie in der Öffentlichkeit länger anschauen, als es üblich ist. Ein längerer Blick reicht schon aus, um Cortisol und Adrenalin in ihrem Körper zu aktivieren.
Sie hat nie gelernt eine gesunde Sexualität zu entwickeln. Sie möchte auch nicht mehr intim mit einem Mann sein. Sie hat andere Wege gefunden, für sich glücklich zu sein. Soweit es geht. Auch sie wird mit den Folgen der männlichen Gewalt leben müssen.
Warum ich das schreibe? Weil es viele betroffenen Mädchen und Frauen gibt, die durch die verletzte und gewalttätige Männlichkeit leiden müssen. Ihr Leben hätte anders verlaufen können, wenn sie nicht Opfer geworden wären. Das ist tragisch.
Viele Männer die zum Täter werden, haben selbst schlimmste Gewalt und auch sexuelle Gewalt in ihrer Kindheit erlebt. Das ist ebenfalls sehr schlimm, aber keine Entschuldigung.
Selbst zum Täter zu werden und Gewalt auszuüben ist eine Entscheidung. Mit unglaublichen Folgen für die betroffenen Menschen.