Deeskalation in eigener Sache

Deeskalation...

dass ist nicht immer nur der berufliche Kontext, wo ich klar in meiner Rolle bin. Manchmal lädt das Leben auch mich dazu ein, mich weiter zu entwickeln.

Aber es wird vorher nicht angekündigt, sondern die Geschenke des Lebens sind manchmal als Problem getarnt.

So auch hier:

 

Vor einiger Zeit habe ich mir einen Youngtimer gekauft. Nachdem ich ungefähr 3000 km gefahren bin, bin ich liegen geblieben und musste den ADAC rufen. Es dauerte über eine Stunde bis der Fahrer kam. Es war ein sehr heißer Tag.

 

Und als der Fahrer dann kam, erwartete mich kein "gelber Engel", sondern ein übelst gelaunter und miesepetriger Fahrer, der nur eins ausstrahlte: Kampfbereitschaft.

 

Er baute sich wortwörtlich vor mir auf und eine Welle von Hass schlug mir entgegen.

Er nutzte zu Beginn alles, um mir die Situation noch schwerer zu gestalten. Der Höhepunkt kam dann, als er mir unterstellte, dass mein Führerschein gefälscht sei und er mir leider keinen Mietwagen zur Verfügung stellen könne.

 

Damit hat er mich persönlich so was von angetriggert, denn ich war jwd ("janz weit draußen") und war dringend auf ein Mietauto angewiesen. Meine Gedanken, die ich im ersten Moment hatte, waren gelinde gesagt, nicht sehr deeskalierend. Mein Stammhirn ging schon in den Modus über: Ich kann auch kämpfen!!!

 

Aber ich habe es zum Glück schnell gemerkt und konnte mich von meinen persönlichen Gefühlen soweit distanzieren, dass ich mit der Situation arbeiten konnte.

 

So sagte ich ihm, nachdem mein Auto endlich - und permanent begleitet von seinen Psychospielchen - verladen war, und ich ein paar Minuten schweigend neben ihm gesessen hatte:

 

"Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass ich es großartig finde, dass Sie nun hier sind und mir helfen. Aber Sie müssen sich sehr angegriffen fühlen und Sie haben wahrscheinlich in der Vergangenheit sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Sie brauchen keine Sorgen zu haben: Ich will Ihnen nichts Böses. Im Gegenteil. Ich bin einfach nur froh, dass Sie hier sind. Danke."

 

SCHWEIGEN.

 

Meine Worte arbeiteten in ihm. Und Stück für Stück wurde er offener und zugänglicher. Dies führte soweit, dass er sich so öffnete und mir mitteilte, welche für ihn furchtbaren Erfahrungen er in der Vergangenheit in seinem Job gemacht hat und dass er kaum noch Vertrauen in seine Kunden hat. Er fühlte sich ausgenutzt und respektlos behandelt. Seine Art damit umzugehen war, dass er selbst mit Kampfbereitschaft reagierte, weil er von vornherein befürchtete, wieder auf unangenehme Kunden zu treffen. Ein Teufelskreis.

 

Als wir in der Zentrale angekommen waren, kriegte ich ohne irgendwelche Widerstände den Mietwagen von ihm und er kaufte mir unaufgefordert als kleines "Dankeschön" für's Zuhören und als kleine Wiedergutmachung eine Flasche Mineralwasser, die er vor mich hinstellte, denn es war sehr heiß an dem Tag. Er entschuldigte sich bei mir für sein anfängliches Auftreten und wir verabschiedeten uns herzlich voneinander.

 

Letztendlich ist aus der anfänglichen sehr schwierigen Situation eine Begegnung mit Wertschätzung und Respekt geworden.

 

Deeskalation, dass bedeutet in einer emotional aufgeladenen Situation den Gegenüber in seinen Bedürfnissen wahrzunehmen und zu sehen und einen Schritt auf ihn zuzugehen. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass ihnen eine Brücke gebaut wird, nehmen sie diese gerne an.

 

Deeskalation, dass bedeutet auch einen Weg zum Anderen zu finden und mit dem Selbstoffenbahrungsohr seine Botschaften wahrzunehmen.

 

Deeskalation, dass bedeutet für mich, solche Situationen dankend anzunehmen, zu schätzen und einen konstruktiven Weg zu finden.

 

 

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